Die Durchführung von Audits für die Safety Culture Ladder (SCL) ist eine eigene Disziplin. Anders als bei Systemnormen liegt der Nachdruck bei einem SCL-Audit viel mehr auf Softskills. „Persönlicher Kontakt ist der Schlüssel. So lässt sich viel mehr ans Licht bringen und verschafft man sich ein gutes Bild von einer Organisation“, erläutert Auditor Hans Aarns.
Aarns arbeitet als Auditor für Aboma Certification und führt unter anderem Audits für die Safety Culture Ladder (SCL) durch. „Die Norm ist gar nicht mal so alt, hat sich inzwischen jedoch schon zu einem recht großen Schema entwickelt. Sie ist auch eine andere Art von Norm als etwa die VCA oder ISO 45001.“ Die Weise, in der Auditoren die Normkonformität prüfen, ist zum Beispiel wesentlich anders. „Normen sind oft Managementsystemnormen. Die SCL ist anders, weil sie eine Verhaltensnorm ist, die das Sicherheitsbewusstsein beurteilt und indirekt auch zu verbessern versucht. Sie richtet sich in erster Linie auf Menschen, menschliches Verhalten und die Kultur in der Organisation. Das zugehörige System muss zwar von der Abteilung SGA eingerichtet und unterstützt werden, ist dadurch aber noch kein Managementsystem. Bei Systemnormen wird das Sicherheitsbewusstsein ebenfalls angesprochen, jedoch ohne Frage viel weniger tiefgreifend. Die SCL-Norm umfasst insgesamt 233 Fragen (Normanforderungen), die je nach zu prüfender Stufe zur Bewertung verwendet werden.“
Gespräche und Beobachtungen
Bei einem SCL-Audit kommt Aarns nach eigener Aussage „mit Kunden ins Gespräch“. Aber nicht alleine, sondern immer mit einem zweiten Auditor. „Bei Systemnormen fordert man bestimmte Dokumente an, sieht sie sich an und geht im Gespräch weiter darauf ein. Bei einem SCL-Audit schauen wir uns oft gar keine Dokumente an. Wir sprechen darüber, was in den Dokumenten steht, wie die Ziele in der Organisation angestrebt werden und ob das in der Praxis auch funktioniert. Es ist eine völlig andere Art der Fragestellung.“ Zusätzlich zu den Gesprächen besucht Aarns mit seinem Kollegen den Arbeitsplatz, in seinem Fall oft eine Baustelle. „Wir beobachten den Arbeitsplatz mit seiner Dynamik und sprechen dann mit Arbeitnehmern über ihre Arbeit. Die Gespräche finden stichprobenartig statt, wenn unsere Beobachtungen am Arbeitsplatz Anlass dazu bieten oder wir vermuten, dass das aus früheren Gesprächen entstandene Bild nicht mit dem übereinstimmen, was wir am Arbeitsplatz beobachten. Dabei behalten wir im Hinterkopf, ob die Ergebnisse der SCL-Stufe, nach der die Organisation zertifiziert werden möchte, entsprechen. Auf den unteren Stufen ist Sicherheit oft noch Top-down geregelt. Je höher die Stufe, desto mehr Bottom-up geregelt ist, wobei die Mitarbeiter, aber auch die Auftragsnehmer ihre Verantwortung wahrnehmen. Wir versuchen bei einem Audit denn auch, uns auf das Niveau, das der Mitarbeiter, sein Vorgesetzter und die Geschäftsleitung an den Tag legen, einzustellen und das Gespräch auf diesem Niveau zu führen. Man muss sich also gut in die Organisation und ihre Position hineinversetzen können.“
Persönlicher Kontakt
Wenn Aarns und sein Kollege etwas sehen, das ihrer Ansicht nach nicht stimmt oder verbessert werden sollte, suchen sie das Gespräch. „Wie man dabei vorgeht, ist entscheidend. Man muss das Vertrauen des Mitarbeiters, mit dem man redet, und seines Vorgesetzten gewinnen. Nicht wie ein Elefant im Porzellanladen stur eine Punkteliste abhaken und Vorschriften machen. Man muss Ruhe bewahren, dem Gesprächspartner Zeit gönnen, seine Gedanken zu äußern, sich in ihn hineinversetzen und ihn spüren lassen, dass man sein Handeln versteht. Wenn man jemandem dieses Vertrauen schenkt, kann man ihn, indem man die richtigen Fragen stellt, in verbesserungsfähigen Situationen selbst einen Lösungsansatz finden lassen. Wichtig ist, die Leute selbst nachdenken zu lassen, dann bleibt eine Lösung auch viel besser hängen. Daneben stellen wir auch immer deutlich klar, dass wir nicht kommen, um individuelle Arbeitnehmer zu beurteilen, sondern die Organisation als Ganzes. Wir halten Ausschau nach Möglichkeiten, die Organisation die Stufen der SCL weiter hinaufsteigen zu lassen. Das ist ein völlig anderer Ansatz. Der persönliche Kontakt ist ein wesentlicher Aspekt davon. Die oben beschriebenen Softskills sind unerlässlich, um als Auditteam ein ordentliches SCL-Audit durchführen zu können.“
Eigenermessen
Gut findet Aarns an der SCL vor allem, dass sie eine Norm ist, die Unternehmen weitgehend nach eigenem Ermessen umsetzen können. „In diesem Sinne ist sie keine wirklich strenge Norm. Wir untersuchen, ob der gewählte Ansatz in der Praxis funktioniert und letztendlich den Normanforderungen entspricht. So sieht man so allerlei und das ist schön zu erleben. Ich finde es toll zu sehen, dass ehemals verbesserungsfähige Punkte ein Jahr später aufgegriffen wurden und das Sicherheitsbewusstsein, also die Kultur in der Organisation, sich verbessert hat. Es ist nämlich nicht so leicht, eine Kultur zu verändern. Das regelt man nicht mal schnell bei einem Bier.“
Breite Auslegung
Die SCL beschreibt Aspekte der Sicherheit und Gesundheit, die unter die Lupe genommen werden, aber in der Norm wird dies breit ausgelegt, meint Aarns. „Wir betrachten im weiten Sinne die Risiken, die in einer Organisation in Bezug auf Sicherheit und Gesundheit gelten können. Dann kann es passieren, dass Aspekte wie Arbeitsbelastung, soziale Sicherheit oder Umgebungssicherheit ins Spiel gebracht werden und man keine Beurteilung anhand von nur „harten“ Sicherheitsfaktoren erstellt. Wir untersuchen also mehr als nur Sicherheit und Gesundheit. Das zeigt sich oft auch in den Gesprächen, die wir führen. Wir nehmen eine offene, interessierte Haltung ein. Wenn man Gespräche in dieser Weise führt, schafft man Vertrauen und kommen in einem solchen Gespräch viel mehr Themen auf als mit einer anderen Gesprächstechnik der Fall wäre. Manchmal erfahren wir sogar etwas über die Familienumstände. Auch diese können sich auf die Organisation und ihre interne Dynamik auswirken. Um sich ein Bild von einer Organisation machen zu können, können diese Informationen also durchaus wertvoll sein.“
Vorbereitung
Unternehmen müssen sich auf ein Audit vorbereiten, aber auf ein Gespräch braucht man sich als Mitarbeiter nicht direkt vorzubereiten, so Aarns. „Bleiben Sie einfach Sie selbst und teilen Sie Ihre Sicht auf die Organisation mit uns! Das ist, was ich bei der Eröffnung eines Gesprächs immer sage.“ Aber natürlich möchten Unternehmen im Voraus wissen, wie sie dastehen. „Das ist mittels einer Selbstanalyse möglich. Dazu kann man das Webtool des NEN verwenden. Man hat dann eine erste Nullmessung und kann dann anhand dieser Informationen bestimmen, welche Maßnahmen man treffen möchte. Für eine Organisation ist es hilfreich, ihre Ambition für das Sicherheitsbewusstsein zu formulieren. Diese muss dann innerhalb der Organisation auch gezeigt werden. Man muss für klare Kommunikation sorgen und eine Basis schaffen. Dazu kann man zum Beispiel eine Arbeitsgruppe bilden, in der sich die Organisation widerspiegelt. Aber alles, was man tut, muss vor allem zur Identität der Organisation passen. Als Organisation verfügt man oft über mehr Fachkompetenz als man denkt, es gilt einfach nur, die richtigen Saiten anzuschlagen.“
Vorbildfunktion
Schließlich weist Aarns darauf hin, dass Führungskräfte bei der Umsetzung einer ordentlichen Sicherheits- und Gesundheitsstrategie eine Vorbildfunktion haben. „Wenn ein Leiter oder Vorgesetzter nicht sichtbar genug ist oder meint, dass die Regeln für ihn nicht gelten, ändert sich an der Sicherheitskultur gar nichts. Die Mitarbeiter sehen und spüren das genau. Es beginnt also damit, dass man mit gutem Beispiel voran geht, so gewinnt man alle in der Organisation für die Sache. Jede Norm, also auch die SCL-Norm, ist ein Mittel zum Zweck. Wenn man die SCL umarmt und die eigene Ambition mit den zugehörigen Zielen und Maßnahmen in einen Plan umsetzt, den man dann ausführt und überwacht, hat diese Norm einen echten Mehrwert.“